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  1. Wie die EZB den Monetarismus unfreiwillig entlarvt
  2. Wird Deutschland ein Entwicklungsland? Ökonom wünscht uns eine „sanfte Deindustrialisierung“
  3. Fünf reichste Familien besitzen mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung
  4. Auf dem Immobilienmarkt ist ein grausames Spektakel zu beobachten
  5. 24 Prozent würden Wagenknecht-Partei wählen: „Asylrecht ist kein Kniefall vor rechts“
  6. Die Suche der USA nach einem Ausweg aus dem Ukraine-Abenteuer
  7. Baerbocks Lektionen (II)
  8. Nach Dammbruch in der Ukraine: EU-Raffinerien kaufen plötzlich mehr russisches Öl
  9. Bundesregierung könnte Milliardengarantien für LNG-Lieferungen vergeben
  10. Netze vor Überlastung schützen? So werden Verbraucher stattdessen gemolken
  11. Gutachten aus Bayern: Heizungsgesetz könnte zum Teil verfassungswidrig sein
  12. Grüne versuchen seit Jahren vergeblich, eine Wärmepumpe in die Parteizentrale einzubauen
  13. Krippe bis Kampfgruppe: Die Treuhand begrub das Herzstück der DDR-Gesellschaft
  14. Denkfabrik fordert Zerschlagung von Amazon
  15. Auslieferung von Assange rückt gefährlich nahe

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wie die EZB den Monetarismus unfreiwillig entlarvt
    In einem Interview für den Podcast „Erklär mir die Welt“ des Journalisten Andreas Sator von Ende Mai offenbart die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB), dass sie weiterhin fest an den Monetarismus glaubt. Das interviewte Mitglied des EZB-Direktoriums, Isabel Schnabel, dokumentiert sehr deutlich, dass diese Denkschule die europäische Geldpolitik weiter in die Irre führt. Man lernt, warum die Fehler der Deutschen Bundesbank aus der zweiten Ölpreiskrise Ende der 1970er Jahre aktuell wiederholt werden.
    Man muss keinen Streit um Worte anzetteln. Wenn Isabel Schnabel aber eingangs (Minute 1:44) erklärt „Inflation ist, wenn sich das Preisniveau einer Volkswirtschaft erhöht“ und später (Minute 14:22) erläutert, warum die EZB Preisstabilität bei einer mittelfristigen Preissteigerungsrate von zwei Prozent für gegeben hält, trägt sie zur Verwirrung bei. Viele verbinden nämlich mit dem Begriff Inflation von der Größenordnung her die Bandbreite der Preissteigerungsrate, die oberhalb der Zielrate der EZB, aber unterhalb dessen liegt, was als Hyperinflation gilt. Für Isabel Schnabel steht das Wort Inflation offenbar ganz allgemein für eine positive Preissteigerungsrate unabhängig von ihrer Höhe, ihrer Ursache und ihrer Dauer.
    Eigentlich ist aber mit Inflation das übermäßige und anhaltende Aufblasen von Preisen auf breiter Front gemeint ohne erkennbare spezifische Ursache, also ohne Schocks, die für das Zustandekommen bestimmter Knappheiten sorgen. Eine Entwicklung des Preisniveaus einer Volkswirtschaft, die alle diese vier Kriterien erfüllt, stört die Aufgabe, die Preise in einer funktionierenden Marktwirtschaft erfüllen müssen, nämlich reale Knappheiten zuverlässig anzuzeigen.
    Doch wie dem auch sei, hier soll nicht um Definitionen gestritten werden. Wichtig ist, zwischen der reinen Definition eines ökonomisch schädlichen Phänomens und der Erklärung, wie es zu dem Phänomen selbst kommt, zu unterscheiden und zwar so, dass man lernen kann, wie es zu verhindern ist. Das Ziel ist zu verstehen, warum die Geldpolitik derzeit so handelt, wie sie es tut, und die Folgen dieser Politik einschätzen zu können.
    Quelle: Friederike Spiecker
  2. Wird Deutschland ein Entwicklungsland? Ökonom wünscht uns eine „sanfte Deindustrialisierung“
    Das Schwellenland China könnte bald zu einer Industrienation aufsteigen, und was passiert in Deutschland? Hohe Energiepreise und ein harter außenpolitischer Kurs bereiten Unternehmen große Sorgen. (…)
    Der Wissenschaftler Martin Höpner, Leiter der Forschungsgruppe Politische Ökonomie der europäischen Integration am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, warnt vor einem „Weiter so“. „Ich hoffe sehr, dass Deutschland auf die wirtschaftlichen Herausforderungen nun nicht reagiert, indem es – whatever it takes – den Exportsektor schützt. Das wäre meines Erachtens ein schwerwiegender Fehler.“ Denn die Instrumente zur Stärkung des Exports lägen auf der Hand: „Die Gewerkschaften müssten sich zu großer Lohnzurückhaltung gegenüber dem Staat verpflichten – und das vor allem in den niedrigen Einkommensklassen.“ (…)
    Die Deindustrialisierung in Deutschland durch Exportsteigerungen zu verhindern, klinge erst mal nach einer guten Idee. Aber das ziehe erhebliche Folgekosten nach sich. Wenn der industrielle Exportsektor weiter so groß gehalten werde, sei die größte Gefahr ein plötzlicher Crash, die Industrie drohe wegen ihrer selbstverschuldeten Überdimensioniertheit eruptiv zusammenbrechen. „Ich glaube, wünschen sollten wir uns ein Einschwenken auf eine sanfte Deindustrialisierung“, sagt Höpner.
    Quelle: Berliner Zeitung
  3. Fünf reichste Familien besitzen mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung
    Im Gespräch mit MDR AKTUELL hat Linke-Parteichef Martin Schirdewan erklärt, die reichsten fünf Familien in Deutschland würden mehr Vermögen besitzen als die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Der Faktencheck ergibt, dass Schirdewan Recht hat. Experten sehen die Ursachen für die ungleiche Vermögensverteilung im Steuersystem, im Niedriglohnsektor und auch in der hohen Mietquote in der Bundesrepublik. (…)
    Vermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt. Das liege auch und vor allem an der Besteuerung, erklärt der Ökonom Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin: “Kaum ein westliches Industrieland besteuert Vermögen so gering wie Deutschland. Frankreich, Großbritannien und die USA nehmen das Drei- bis Vierfache der Wirtschaftsleistung an vermögensbezogenen Steuern ein.”
    on den fünf reichsten Familien bzw. Privatpersonen in Deutschland haben Sie sicher schon gehört. In diesem Jahr kommt Lidl-Gründer Dieter Schwarz auf Platz eins im Ranking des Forbes-Magazins. Mit einem geschätzten Vermögen von 42,9 Milliarden US-Dollar – umgerechnet rund 40,8 Milliarden Euro – ist er der reichste Deutsche.
    Hinter ihm rangieren der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne und der baden-württembergische Werkzeugspezialist Reinhold Würth mit Familie. Die Plätze vier und fünf teilen sich die Geschwister und BMW-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt.
    Sie alle zusammen kommen auf ein Vermögen von umgerechnet knapp 153 Milliarden Euro. Eine schwindelerregende Zahl. Dieses Vermögen macht knapp 1,2 Prozent am Nettogesamtvermögen der Deutschen aus. Das lag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2018 bei 13 Billionen Euro. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung kommt offiziellen Zahlen zufolge nur auf 0,5 Prozent des Nettogesamtvermögens.
    Quelle: mdr
  4. Auf dem Immobilienmarkt ist ein grausames Spektakel zu beobachten
    Im deutschen Immobilienmarkt ist ein grausames Spektakel zu besichtigen. Narkotisiert durch die Gleichzeitigkeit von Inflation und Zinsanstieg – und damit ohne Chance der politischen Gegensteuerung – sind Investoren und Mieter dazu verdammt, „eine Krise im Zeitlupentempo“ zu durchleben, wie Prof. Thomas Mayer, der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank und heutige Leiter der Denkfabrik bei Flossbach von Storch, prognostiziert.
    Der Hintergrund: Mit geradezu teuflischer Mechanik wirken hier ökonomische Kräfte, denen sich kein Bauherr, kein Immobilienbesitzer und auch kein Vorstand einer Immobiliengesellschaft entziehen kann.
    Die Auswirkungen dieser Zeitlupen-Krise auf den Bankensektor und den Wohnungsmarkt werden für alle spürbar sein und letztlich auch die Privatsphäre der Bürger, nämlich deren Wohnräume, empfindlich berühren. (…)
    Diese Wohnräume werden in einem Land, das in 2022 um rund 1,5 Millionen Zuwanderer gewachsen ist und angesichts der weltweiten Verwerfungen weiter wachsen wird, gleichzeitig verteuert und verknappt.
    Das Wort „Wohnungsnot“ dürfte bald schon in aller Munde sein. In den Städten – und nicht nur den großen – wird bezahlbarer Wohnraum zur neuen sozialen Frage. Der Bundeskanzler, der persönlich 400.000 neue Wohnungen pro Jahr versprochen hat, kann dieses Versprechen unter keinen Umständen halten. (…)
    Die Stille der Krise ist auf dem Aktienmarkt bereits in eine laute Krise umgeschlagen. Seit Beginn des Jahres verzeichneten europäische Immobilienaktien erhebliche Verluste, darunter Vonovia (-23 Prozent) in Deutschland und Aroundtown (-53 Prozent) in Luxemburg. (…)
    Auch die Banken sind betroffen. Die Deutsche Bank plant eine Reduktion ihres Baufinanzierungsgeschäfts. Es werden voraussichtlich mehrere hundert Stellen abgebaut.
    Quelle: Gabor Steingart in Focus Online

    dazu auch: BMV-Studie zur Mietpreisbremse – Verstöße teils über 50 %
    Erschreckend viele Vermietende ignorieren die gesetzlichen Bestimmungen der Mietpreisbremse. Das ergab eine Untersuchung des Berliner Mietervereins. Erstmals wurde dargelegt, welche Dimensionen die Verstöße haben. (…)
    Durchschnittlich wurden Überschreitungen von 287 Euro festgestellt, es gab aber auch Fälle, in denen die Miete um 700 bis 1000 Euro überschritten wurde. Zu 53 Prozent waren es private Wohnungsunternehmen, die gegen das Gesetz verstoßen haben, zu 23 Prozent private Einzel-Vermieter. Besonders bezeichnend: In nur 228 aller Fälle berufen sich Vermieterinnen und Vermieter auf einen Ausnahmetatbestand, etwa eine vorangegangene umfassende Modernisierung oder auf die Vormiete. In nur 35 Fällen konnten diese Ausnahmefälle letztendlich auch belegt werden. Sanktionen müssen die Vermieter:innen nicht befürchten. „Wir sind empört, dass die Politik seit Jahren zuschaut, wie die gesetzlich verankerte Bremse umgangen wird“, erklärte Werner. Die Forderungen des BMV, um die Anwendung zu vereinfachen: die Einrichtung einer externen Überprüfungsstelle – wie es sie beim Mietendeckel gab – und die Streichung aller Ausnahmeregelungen mit Ausnahme derer, die sich auf den Neubau beziehen. Ein Konstruktionsfehler der Bremse sei zudem, dass Verstöße kein Bußgeld nach sich ziehen. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Unternehmen (BBU) spricht angesichts der Ergebnisse der BMV-Studie von einzelnen schwarzen Schafen. Das sieht man beim Berliner Mieterverein anders. Die Dunkelziffer dürfte erheblich sein, denn viele Mieterinnen und Mieter scheuen sich, ihre Rechte aktiv einzufordern.
    Ein weiteres Problem: All diese gesetzlich unzulässigen Mieten fließen in den Mietspiegel mit ein und treiben ihn weiter in die Höhe.
    Quelle: Berliner Mieterverein

  5. 24 Prozent würden Wagenknecht-Partei wählen: „Asylrecht ist kein Kniefall vor rechts“
    Die Linke-Politikerin geht in einem Interview auf die mögliche Gründung einer eigenen Partei ein. Bei der Reform zum Asylrecht ist sie uneins mit der Linken. (…)
    Die EU-Innenminister haben sich kürzlich auf eine grundlegende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) verständigt. Damit einigen sich die Mitgliedsstaaten auf eine Verschärfung des europäischen Asylverfahrens. Vorgesehen ist unter anderem ein restriktiverer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive. Bei der Parteispitze der Linken stößt dies auf starke Ablehnung. (…)
    So bezeichnete Janine Wissler, Linke-Parteivorsitzende, die Reform als einen „Kniefall von rechts außen“ im Hinblick auf die beschleunigten Vorverfahren an den Außengrenzen. Wagenknecht hingegen ist deutlich zurückhaltender, wie sich in ihrem Interview mit der Welt herausstellt. Wie steht sie der Verschärfung des Asylrechts gegenüber?
    „Wenn man ein Problem versucht zu lösen, dann ist das kein Kniefall“, sagt sie und erklärt: „Wir haben eine Situation der Überforderung in vielen Städten und Gemeinden und müssen das Problem unkontrollierter Zuwanderung irgendwie lösen.“ Menschen, die aber tatsächlich wie im Iran mit der Hinrichtung bedroht und verfolgt werden, müssten ein Recht auf Asyl behalten.
    Die Armut dieser Welt könne man aber nicht durch Migration lösen. Die Allerärmsten könnten sich die Flucht gar nicht leisten. Es sei keine Lösung, die etwas bessere Mittelschicht der armen Länder abzuwerben, wo sich dort die Probleme weiter verschärfen würden.
    Der akute Wohnungsmangel, Schwierigkeiten an Schulen und fehlende Kitaplätze in Deutschland würden zwar nicht primär von der hohen Zuwanderung kommen, sie spitze die Situation hierzulande aber zu. „Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass ein Großteil der Migration damit zu tun hat, dass es diese großen Wohlstandsdifferenzen gibt“, so Wagenknecht im Gespräch. Ob der gefundene Kompromiss funktioniere und er die europäische Einigkeit hinter sich habe, müsse sich zeigen.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung J.K.: Das mag in Umfragen so sein, aber sollte sich Sahra Wagenknecht tatsächlich entschließen, eine eigene Partei zu gründen, wird dieses Land eine Diffamierungskampagne erleben, wie noch nie zuvor in seiner Geschichte.

  6. Die Suche der USA nach einem Ausweg aus dem Ukraine-Abenteuer
    Samuel Charap, der bei der RAND-Corporation im Januar das Papier mit dem Titel „Einen langen Krieg vermeiden – Die US-Politik und der Verlauf des Russland-Ukraine-Konflikts“ (Avoiding a Long War – U.S. Policy and the Trajectory of the Russia-Ukraine Conflict) veröffentlicht hat, hat nun auch in Foreign Affairs, der Zeitung des Council von Foreign Relations, einen langen Artikel veröffentlicht, der für seine Empfehlung, die Kampfhandlungen in der Ukraine zu beenden, wirbt und sie detailliert ausführt. (…)
    In seinem Papier für die RAND-Corporation kam Charap– kurz gesagt – zu folgenden Schlussfolgerungen: Erstens konnte Russland durch die Wirtschaftssanktionen nicht besiegt werden, zweitens waren die Folgen der Sanktionen und der Unterstützung Kiews für den Westen viel teurer als erwartet und drittens haben die USA, nachdem Russland wirtschaftlich und militärisch nicht geschlagen werden konnte, in dem Ukraine-Konflikt nichts mehr zu gewinnen, was die hohen Kosten für die USA rechtfertigen würde. In dem Papier wurde ausdrücklich gesagt, dass es für die Interessen der USA egal ist, ob Russland ukrainische Gebiete übernimmt oder nicht. Wo die Grenzen zwischen der Ukraine und Russland verlaufen, sei für die USA unwichtig und der Kampf für die Rückgewinnung der ukrainischen Gebiete sei die Kosten, die die US-Unterstützung der Ukraine verursacht, nicht wert.
    Daher hat die RAND-Corporation empfohlen, den Krieg möglichst schnell zu beenden, aber sie hat auch festgestellt:
    „Eine dramatische Änderung der US-Politik über Nacht ist politisch unmöglich – sowohl innenpolitisch als auch gegenüber den Verbündeten – und wäre in jedem Fall unklug.“
    Quelle: Anti-Spiegel

    Anmerkung Christian Reimann: Von besonderer Bedeutung sind die wiedergegebenen der Worte der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, aus einem Interview, dass Herr Röper mit ihr geführt hat.

  7. Baerbocks Lektionen (II)
    Mit einer kräftigen Abfuhr in Brasilien und ohne erkennbaren Erfolg in Kolumbien und Panama ist in der vergangenen Woche die erste Lateinamerikareise von Außenministerin Annalena Baerbock zu Ende gegangen. Offiziell standen bei Baerbocks Reise die Klima- und die Energiepolitik im Mittelpunkt der Gespräche: Brasilien soll zum Schutz seiner Wälder im Amazonasgebiet veranlasst werden; Kolumbien wird in Deutschland als künftiger Lieferant von grünem Wasserstoff eingeplant, während Panama mit seinem Kanal als Drehscheibe für Wasserstoffexporte aus Südamerika vorgesehen ist. Konkrete Ergebnisse der Reise der Außenministerin wurden nicht bekannt. Unklar ist auch, was Baerbock mit ihrem Bestreben erreichen konnte, im Machtkampf der USA gegen Chinas wachsenden Einfluss in Panama, der seit geraumer Zeit tobt, die Stellung des Westens zu stärken. Ihr Versuch, Brasiliens Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und seine Regierung unter Druck zu setzen, sich im Ukraine-Krieg gegen Russland zu positionieren, ist krachend gescheitert: Lula und sein Außenminister gewährten Baerbock weder ein Treffen noch eine gemeinsame Pressekonferenz mit einem anderen Regierungsmitglied.
    Quelle: German Foreign Policy
  8. Nach Dammbruch in der Ukraine: EU-Raffinerien kaufen plötzlich mehr russisches Öl
    Auch der Ölmarkt reagiert gestresst auf die Katastrophe. Laut einem Bericht der britischen Nachrichtenagentur Reuters fürchten Raffinerien in Westeuropa, zu wenig Öl aus Russland zu beziehen, da die Druschba-Pipeline, die russisches Öl zum Teil durch die Ukraine transportiert, beschädigt werden könnte. Zur Erinnerung: Das Pipeline-Öl aus Russland ist vom EU-Embargo ausgenommen; vor allem Ungarn, Tschechien und die Slowakei lassen sich immer noch von Russland beliefern. (…)
    Im Juni könnten die Pipeline-Lieferungen von russischem Urals-Rohöl in die EU um 16 Prozent im Vergleich zum Mai ansteigen, prognostiziert Reuters unter Berufung auf zwei ungenannte Quellen. Die Raffinerien in der EU hätten aus Angst vor Angriffen auf wichtige Infrastrukturen und angesichts des eskalierenden Kriegs in der Ukraine Ölvorräte anlegen wollen, sagte eine Quelle. Die ungarische Raffinerie MOL, ein wichtiger Abnehmer russischem Öls, werde im Juni 900.000 Tonnen Urals kaufen, das über die Druschba-Pipeline geliefert wird. Im Mai hatte MOL nur 750.000 Tonnen Urals-Öl erworben.
    Auch die Ukraine verdient an dem Öltransit. Anfang Juni habe Kiew abermals die Gebühren für den Transport erhöht, berichtete die Ungarische Zeitung Vilaggazdasag, heißt es im Bericht. Mit der Änderung sei der Preis um 25 Prozent auf 17 Euro pro Tonne angehoben worden. Die im Vorfeld geäußerte Androhung, die Gebühren um 100 Prozent zu steigern, machte die ukrainische Regierung nicht wahr. Kiew hatte die Gebühr für das Öl aus der Druschba-Pipeline zuletzt im Januar auf 13,60 Euro pro Tonne erhöht.
    Quelle: Berliner Zeitung
  9. Bundesregierung könnte Milliardengarantien für LNG-Lieferungen vergeben
    Eigentlich will Deutschland sich aus der Finanzierung von Kohle-, Erdöl- und Erdgasprojekten im Ausland zurückziehen. Jetzt bringen genau solche Anfragen die Bundesregierung in eine schwierige Situation. (…)
    Die Anfragen bringen die Bundesregierung in eine schwierige Situation, weil sich Deutschland in der Glasgower-Erklärung verpflichtet hat, sich bis Ende 2022 aus der Finanzierung von Kohle-, Erdöl- und Erdgasprojekten im Ausland zurückzuziehen. Mittlerweile haben die Erklärung 39 Staaten unterschrieben. Sie sehen vor, »die neue direkte öffentliche Unterstützung« von fossilen Brennstoffen zur Energiegewinnung zu beenden. Ausnahmen seien nur in »begrenzten und klar definierten Fällen« möglich, wenn diese mit den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar seien. (…)
    Seit Monaten ringt die Bundesregierung um eine Stellungnahme zur Glasgower-Erklärung. Laut Insidern haben vor allem das Bundeskanzleramt und das Bundeswirtschaftsministerium sowie das Auswärtige Amt dazu unterschiedliche Positionen. Dabei spielt auch ein Angebot zur Zusammenarbeit bei der Gasförderung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an den senegalesischen Präsidenten Macky Sall vor einem Jahr eine Rolle.
    Bis heute ist nicht geklärt, ob Deutschland sich wirklich an der dortigen Ausbeutung des Gasfeldes beteiligen wird. Das werten Experten – anders als die Garantien – als klaren Bruch mit dem Glasgower Abkommen. Bereits vor dem vergangenen Klimagipfel in Ägypten, der COP27, wollte sich die Bundesregierung bezüglich des Senegal-Angebots erklären.
    Quelle: DER SPIEGEL
  10. Netze vor Überlastung schützen? So werden Verbraucher stattdessen gemolken
    Die Netzentgelte bei Gas und Strom sollen steigen. Unser Kolumnist fragt, ob sich der Staat länger von der Profitgier der Netzbetreibern erpressen lassen sollte.
    Seit letztem Jahr überredet er uns alle zum Energiesparen, jetzt will er, dass wir den Netzbetreibern höhere Profite finanzieren. Die Rede ist von Klaus Müller, heute Chef der Bundesnetzagentur, früher Chef der Verbraucherzentrale – und: ein Grüner. Damit die Strom- und Gasnetze schnell genug ausgebaut werden, will Müller den Netzbetreibern eine größere Karotte vorhalten.
    Mit Investitionen ins Netz sollen die Firmen künftig mehr Geld verdienen dürfen, und die staatlich festgelegte Rendite aufs eingesetzte Kapital soll von 5,07 auf 7,09 Prozent angehoben werden. Auslöser dafür seien die höheren Zinsen. „Deswegen wollen wir neue Investitionen besser verzinsen und schaffen so spürbare Anreize für Investitionen bei den Netzbetreibern“, so Müller. Ab sofort soll die Rendite jedes Jahr neu festgelegt werden, früher waren es nur alle fünf Jahre. Immerhin: Für bereits gebaute Netze soll die höhere Rendite nicht gelten, nur für neue.
    Rund eine halbe Milliarde soll der Vorschlag zusätzlich in die Firmenkassen spülen – voraussichtlich. Je mehr die Betreiber investieren, desto teurer wird es. Und natürlich landet das am Ende auf der Strom- und Gasrechnung der Kunden, denn die Betreiber finanzieren sich über die Netzentgelte, die übrigens schon heute etwa ein Viertel des Preises ausmachen.
    Quelle: Maurice Höfgen in Berliner Zeitung
  11. Gutachten aus Bayern: Heizungsgesetz könnte zum Teil verfassungswidrig sein
    Das umstrittene Heizungsgesetz könnte in Teilen verfassungswidrig sein. Diese Ansicht vertritt der Passauer Juraprofessor Meinhard Schröder in einem Gutachten, das der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in Auftrag gegeben hatte.
    Das Heizungsgesetz verstoße in mehreren Punkten gegen den Gleichheitsgrundsatz, sagte Aiwanger am Freitag. Bestes Beispiel sei die im Gesetz festgelegte Altersgrenze für die Befreiung von der Umtauschpflicht.
    Nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung sollen Hauseigentümer, die über 80 Jahre alt sind, von der Pflicht ausgenommen werden, ihre Heizung auf erneuerbare Energien umzustellen. Geht ihre Heizung kaputt, kann sie wieder durch eine herkömmliche Heizung ersetzt werden. Nur wenn ihr Haus verkauft oder vererbt wird, greift die neue Regelung.
    Aiwanger betonte nun, dass Eigentümer unter 80 Jahren würden völlig willkürlich anders behandelt als ältere. Zuvor hatten auch die Unionsparteien von einem Fall der “Altersdiskriminierung” gesprochen.
    Zudem nehme der Gesetzentwurf keine Rücksicht auf die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen. “79-Jährige mit schmaler Rente müssen im Extremfall ihr Häuschen verkaufen”, sagte Aiwanger. Wohlhabende 80-Jährige dürften hingegen weiterhin mit Öl und Gas heizen.
    Wenn allerdings die Miteigentümer einer Immobilie jünger seien, “dann schlägt der Heizungstausch wieder voll zu”. Das verstehe kein Mensch, so Aiwanger. (…)
    Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur und Grünen-Politiker, appellierte an die Handwerker, Verbraucher beim Heizungstausch besser zu beraten. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er: Es sei immer einfach, das einzubauen, was man seit zehn Jahren einbaue.
    Und eine neue Gasheizung wirke heute noch kostengünstiger als etwa eine Wärmepumpe. Aber in ein paar Jahren würde sie durch den CO₂-Preis kostenintensiv. Deshalb brauche es nun verlässlichen und zukunftsorientierten Rat.
    Im Jahr 2021 wurde in Deutschland ein CO₂-Preis eingeführt. Seither müssen die Menschen mehr bezahlen, etwa beim Heizen mit Gas oder beim Tanken. Damals fielen pro Tonne Kohlendioxid 25 Euro an. Der Preis soll allerdings jährlich steigen und bis 2025 auf 55 Euro steigen.
    Quelle: Telepolis
  12. Grüne versuchen seit Jahren vergeblich, eine Wärmepumpe in die Parteizentrale einzubauen
    Die Grünen scheitern seit dreieinhalb Jahren daran, in ihre Parteizentrale in Berlin-Mitte eine Wärmepumpe einzubauen. Eigentlich wollte die Partei den Umbau ihrer Bundesgeschäftsstelle in Berlin nutzen, um neben der Sanierung der Räume auch das Heizsystem zu erneuern und klimaneutral zu machen. Doch Recherchen des „Spiegel“ zeigen, dass die Grünen dabei bislang kaum Erfolg und viele Rückschläge zu verkraften hatten: Die Pumpe läuft noch immer nicht. Auch die sonstigen Umbauarbeiten sind nicht abgeschlossen.
    Ein Grünen-Sprecher widersprach der Darstellung. Im „Spiegel“-Bericht gebe es „einige falsche Behauptungen“, sagte er auf Anfrage der dpa. Zu den konkreten Details äußerte sich die Partei allerdings bis zum späten Freitagnachmittag nicht.
    Mit dem Gebäudeenergiegesetz möchte die Partei von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck die Wärmewende vorantreiben. Davon betroffen sind auch Altbauten wie die Grünen-Zentrale. Um in dem Gebäude erneuerbar heizen zu können, musste demnach ein aufwendiges System aus Rohren und Kabeln verlegt werden. Dessen Installation gestaltete sich besonders schwierig.
    Quelle: Welt Online

    dazu: Spezialmaschinen nötig: Grüne scheitern offenbar am Einbau einer Wärmepumpe in der Parteizentrale
    Ausgerechnet die Grünen scheitern beim Einbau einer Wärmepumpe in ihrer Parteizentrale. Bereits vor dreieinhalb Jahren sollen sie den Versuch gestartet haben, ihre Bundesgeschäftsstelle in Berlin umzubauen, um neben der Sanierung der Räume auch das Heizsystem zu erneuern und klimaneutral zu machen, heißt es in einem Bericht des „Spiegel“.
    Bislang scheinen die Umbauarbeiten wenig erfolgreich zu sein. Viele Rückschläge später ist die Wärmepumpe offenbar noch immer nicht betriebsbereit. Auch andere Umbauvorhaben seien nach wie vor nicht fertiggestellt, heißt es weiter.
    Mit dem aktuellen Stand des Umbaus steht die Partei im Widerspruch zu ihren politischen Plänen. Denn mit dem Gebäudeenergiegesetz wollen die Grünen die Wärmewende vorantreiben. Darunter fallen auch Altbauten wie die Grünen-Parteizentrale.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Christian Reimann: Als ehemaligen Co-Bundesvorsitzender der Grünen dürften dem nun amtierenden Bundesminister Habeck die Probleme beim Einbau von Wärmepumpen nicht entgangen sein. Es ist völlig unverständlich, weshalb er dennoch versucht, besonders schnell ein Gesetz zur verpflichtenden Installation von Wärmepumpen durchzusetzen – und fügt zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern hierzulande seelischen Schaden zu. Finanziell wird die Belastung groß und viele überlasten, denn immerhin: Laut der Partei hat die Umrüstung für die Wärmepumpe rund fünf Millionen Euro gekostet. Kurios auch: Der CO2-Einspareffekt ist – wenn überhaupt vorhanden – lediglich minimal. Für das Narrativ des Klimaschutzes ist diese Maßnahme untauglich. Bitte lesen Sie dazu auch Ein Land im Wärmepumpenwahn.

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Learning bei doing? Offenbar nicht! Die Tücken beim Einbau von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden konnten die Spitzen der Grünen vor Ort hautnah verfolgen. Die richtigen Schlüsse bei der Formulierung der Gesetzesvorlagen wurden daraus offenbar nicht gezogen.

  13. Krippe bis Kampfgruppe: Die Treuhand begrub das Herzstück der DDR-Gesellschaft
    Undenkbar für Kapitalismus-Sozialisierte: Im Osten war der Betrieb Lebensmittelpunkt. Ein Direktor erzählt vom Alltag und „Verrat am Volk“ durch die Treuhand.
    Die Motorenbauer hatten die Zeichen der Zeit erkannt, und sie waren schnell: Mit der Nummer 002 im Register der Treuhandanstalt wurde am 5. April 1990 der ehemals volkseigene Betrieb Elektromotorenwerk Wernigerode (Elmo) als GmbH eingetragen und das ehemalige Kombinat Elektromaschinenbau, zu dem das Werk gehörte, als Aktiengesellschaft.
    Die Registriernummer 001 der fünf Wochen zuvor noch von der Modrow-Regierung gegründeten Treuhandanstalt war für das Reich Alexander Schalck-Golodkowskis reserviert – die Koko. Der Bereich Kommerzielle Koordinierung im DDR-Außenhandelsministerium hatte mit kapitalistischen Methoden Valuta für den devisenklammen Staat zu erwirtschaften. Ein Bereich mit absoluter Sonderstellung – ganz klar die 001.
    Aber der erste in marktwirtschaftliche Eigentumsverhältnisse überführte Normalbetrieb der DDR war Elmo. Ein Pionier: Als erste Ostfirma hatte Elmo zudem mit seiner West-Vertriebsgesellschaft ein Westunternehmen übernommen, und mit Wolfgang Beck war der einst jüngste Betriebsdirektor der DDR zu einem der neuen Geschäftsführer der GmbH geworden. (…)
    Der Betrieb hatte Grund für Selbstbewusstsein: Man lieferte Motoren in 47 Länder, auch in sämtliche heutige EU-Staaten. Im Angebot fand sich die ganze Palette von klein bis riesengroß: Motoren für den DDR-Rasenmäher Trolli, für Landmaschinen, Druckereien, Tagebaugroßgeräte, Werkzeugmaschinen, Schienenfahrzeuge oder Schiffe – alles Erzeugnissen, die den Ruf der DDR als Industrieland mitbegründeten.
    Mit Weitsicht hatte Wolfgang Beck sein Top-Unternehmen rechtzeitig auf die neue Zeit nach dem politischen Umbruch von 1989 vorbereitet. Schon drei Wochen vor der Wahl vom 18. März, die die Regierung von Lothar de Maizière ins Amt brachte und mit ihr einen beschleunigten Kurs in Richtung Wiedervereinigung, war die Umwandlung von Volkseigentum in marktwirtschaftliche Eigentumsformen eingeleitet. Noch hatten Beck und seine Mitstreiter eine reformierte DDR im Sinn. Das Wahlergebnis rückte die Wiedervereinigung im Schweinsgalopp in den Blick.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung J.K.: Die Zerschlagung der DDR-Industrie ist ebenfalls ein Thema, dass nach wie vor auf Aufarbeitung wartet und ein Hintergrund für die Erfolge der AfD im Osten.

  14. Denkfabrik fordert Zerschlagung von Amazon
    Kleinere und mittlere Händler werden immer abhängiger von Amazon, so eine Analyse der niederländischen Denkfabrik Somo. Die Doppelrolle als Verkäufer und Marktplatzbetreiber stelle ein »strukturelles Monopol« dar, das entflochten werden müsse.
    Von 2017 bis 2022 verdreifachten sich demnach Amazons Einnahmen durch Gebührengelder unabhängiger europäischer Händler von 7,6 auf 23,5 Milliarden Euro. Sie zahlen unter anderem dafür, auf der Plattform gelistet zu werden, manche auch für Lagerung und Versand ihrer Produkte durch Amazon. Geradezu »explodiert« seien zudem die Werbeeinnahmen von europäischen Händlern, die ihre Sichtbarkeit auf der Plattform erhöhen wollen – von 300 Millionen Euro im Jahr 2017 auf 5,4 Milliarden 2021. Allein in Deutschland stiegen die Werbeinvestitionen der Handelspartner in diesem Zeitraum Somo zufolge von 100 Millionen auf 2,1 Milliarden Euro. (…)
    Amazon habe zudem sein Gebührenaufkommen durch Händler stetig erhöht, was deren Margen verringere. Kleinere Händler befänden sich zunehmend im »Würgegriff« und würden »ausgequetscht«, heißt es in dem Report. Somo analysierte dafür Geschäftsberichte sowie Unterlagen aus laufenden Untersuchungen gegen den Konzern, zudem führten Mitarbeiterinnen Interviews mit ausgewählten Händlern.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung Christian Reimann: Erinnert sei u.a. an diese Beiträge:

    1. Wie Amazon Kunden und den Staat täuscht – ein Selbstversuch
    2. Amazon-Chef Jeff Bezos erhält den Axel Springer Award.
  15. Auslieferung von Assange rückt gefährlich nahe
    Reporter ohne Grenzen (RSF) ist zutiefst besorgt über die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs, die Berufung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange gegen seine Auslieferung an die USA abzulehnen. Die Gefahr, dass er tatsächlich ausgeliefert wird, ist nun so real wie nie zuvor. In den USA droht er wegen der Veröffentlichung geheimer Informationen über Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen des US-Militärs im Jahr 2010 den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen zu müssen. Konkret drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft.
    In einer dreiseitigen schriftlichen Entscheidung vom 6. Juni 2023 wies ein Richter Assanges Berufung gegen den von der damaligen britischen Innenministerin Priti Patel im Juni 2022 unterzeichneten Auslieferungsbefehl in allen acht Punkten zurück. Damit bleibt Assange nur noch eine letzte Möglichkeit innerhalb des britischen Justizsystems: Die Verteidigung hat fünf Arbeitstage Zeit, um eine weitere Berufung im Umfang von höchstens 20 Seiten bei einem aus zwei Richtern bestehenden Gremium einzureichen. Darauf folgt eine öffentliche Anhörung. Bei einer weiteren Ablehnung bliebe als letzte Option, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen. Doch ob eine Entscheidung dort seine Auslieferung verhindern kann, ist fraglich.
    Quelle: Reporter ohne Grenzen

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Assange verliert Berufung gegen Auslieferung an die USA und dazu auch: Police omitted folder called ‘CIA’ from the computer of Spaniard who allegedly spied on Julian Assange mit einer Anmerkung.